Übergangsphasen: Dem Leben vertrauen, wenn nichts sicher scheint
In Übergangsphasen ist es leicht, sich zu fragen, wohin wir eigentlich gehen, besonders dann, wenn unser Weg nicht den Vorgaben entspricht, die uns vorgelebt wurden. Doch vielleicht ist dieses leise „Nein“ zu Systemen, Rollen oder Rhythmen, die sich nicht stimmig anfühlen, kein Widerstand, sondern eine Neuorientierung. Vielleicht ist es ein innerer Kompass, der uns zurück zu dem führt, was wirklich wahr ist.
Dennoch kann so ein Übergang viel Ungewissheit mit sich bringen, gerade dann, wenn wir beginnen, für unsere Energie, unsere Wahrheit und unsere Grenzen einzustehen. Für diesen Prozess gibt es keine Anleitung. Es gibt nur unsere innere Stimme und feine Signale, die durch unseren Körper sprechen, und sich zum Beispiel als Sehnsucht oder Unruhe ausdrücken. Und an manchen Tagen werden diese Signale überdeckt von Angst oder einem Gefühl von Taubheit.
Unser Nervensystem ist vor allem durch unsere frühkindlichen Erfahrungen, Trauma und die Welt um uns herum gerpägt, und sagt vielleicht: „Das ist mir zu unsicher. Geh zurück zu dem, was du kennst.“ Oft ist das jedoch ein Zeichen dafür, wie tiefgreifend wir uns gerade verändern. Es geschieht, wenn wir uns in Richtung von etwas Lebendigem und Wahrhaftigem bewegen und beginnen, die Rollen, Funktionen und Identitäten loszulassen, die uns einst Halt gaben.
Heilung die aus einem inneren Konflikt entsteht
Wenn wir uns von dem abwenden, was uns so lange betäubt hat, von Rollen, Mustern, Menschen oder Systemen, die uns Energie und Lebensfreude rauben, betreten wir meist unbekanntes Terrain. Dort begegnen wir oft unser inneren Unsicherheit, unbeantworteten Fragen oder verletzlichen inneren Anteilen, die nie Raum hatten, gefühlt zu werden, sich auszuruhen, und einfach nur zu sein.
Heilung verläuft nicht geradlinig. Sie passiert in Zyklen, und bittet uns um Achtsamkeit und Präsenz, nicht um Leistung. Genauso brauchen wir mehr Langsamkeit, Sanftheit und den Raum, uns selbst zu begegnen, ohne sofort etwas verbessern zu müssen.
Vielleicht fehlen uns noch die Worte für das, was wir fühlen, aber unser Körper weiß es. Oft sind wir die Ersten in unserem Familiensystem, die „Nein“ sagen. Die Ersten, die etwas anderes wählen und den Mut haben, sich der eigenen Wahrheit und den eigenen Gefühlen zuzuwenden, statt nur zu funktionieren.
Und das ist mehr als mutig. Kein Wunder, dass wir uns müde oder voller Zweifel fühlen. Manchmal ist der Drang zurück ins vermeintlich Sichere sehr stark. Viele von uns leben genau in dieser Phase zwischen: „Ich kann nicht zurück“ und „Ich weiß nicht genau, wie ich weiter gehen soll.“ Und genau hier, in dieser sensiblen Übergangszeit, wollen alte Überlebensstrategien wieder die Kontrolle übernehmen, z.B. etwas schnell zu verbessern, anderen zu gefallen, oder aufgeben um das vermeintlich einfachere zu wählen.
Doch was, wenn diese Übergangsphase gar kein Problem ist, das gelöst werden muss? Sondern ein Übergang, in den wir langsam hineinwachsen dürfen? Ein Raum zum Atmen, Fühlen und wo wir unsere innere Wahrheit sprechen lassen, auch wenn die innere Klarheit und der weiterführende Weg noch nicht ganz da sind.
Unsere Angst halten, ohne uns selbst darin zu verlieren
Viele von uns sind nicht damit aufgewachsen, auf die eigene Wahrheit zu hören. Wir wurden geprägt, Sicherheit und Zugehörigkeit über unsere Authenzität zu stellen. Wir haben gelernt, uns anzupassen: ins System zu passen, Konflikte zu vermeiden, und den Frieden zu wahren, auch wenn dies bedeutete, unsere Bedürfnisse, Gefühle oder unser Selbst zu unterdrücken.
Deshalb fühlt sich unsere innere Wahrheit für viele am Anfang nicht nach Klarheit oder wirklicher Selbstfindung an. Oft taucht erst einmal ein Gefühl von Angst auf: die Angst vor Ablehnung, vor dem „zu viel sein“, vor Unsicherheit oder dem Nicht-Willkommen-Sein. Deshalb fühlen sich die ehrlichsten Entscheidungen oft auch wie die schwierigsten an. Denn unsere innere Wahrheit zu wählen und zu leben, bedeutet oft, über das hinauszugehen, was wir je gekannt haben.
Es bedeutet, uns den Anteilen zuzuwenden, die nie ganz da sein durften, die Anteile, die gelernt haben, sich zu verstecken, zu leisten, und anderen zu gefallen.
Mut heißt nicht, keine Angst zu haben. Mut heißt, bei uns selbst zu bleiben, trotz der Angst. Mut heißt, die Angst zu halten, ohne sich in ihr zu verlieren. Mut heißt auch dem Unklaren, Unsicheren, und Chaos in uns Raum zu geben. Mit dem zu sein, was ist, ohne es sofort ändern oder unterdrücken zu müssen. Und gerade in Zeiten, in denen Illusionen allgegenwärtig sind, brauchen wir Echtheit und Authentität am meisten.
Wenn unser Wachstum andere herausfordert
Oft werden Übergangsphasen nicht nur durch unsere eigene Angst und Unsicherheit erschwert, sondern auch durch die Reaktionen unseres Umfelds. Freunde, Familie oder Partner verstehen unsere Veränderung und neuen Bedürfnisse vielleicht nicht. Sie hinterfragen unsere Entscheidungen, spielen unsere Gefühle herunter oder wollen uns in das zurückziehen, was wir einmal waren. Nicht selten deshalb, weil unser Wachstum für sie ungewohnt oder sogar bedrohlich wirkt, solange sie selbst noch in alten Mustern und Glaubenssätzen feststecken.
Das kann diesen Prozess besonders einsam für uns machen. Viele von uns sehnen sich danach, in ihrer Verletzlichkeit gesehen, unterstützt und verstanden zu werden, aber begegnen stattdessen Schweigen, Widerstand, Ablehnung oder sogar Druck, so zu bleiben und weiterzumachen, wie bisher. Und wenn wir innerlich ohnehin schon verunsichert sind, verstärkt dieser Mangel an äußerer Unterstützung unsere Zweifel oft noch mehr.
Falls du dich hier wiedererkennst: Du bist nicht „zu viel“, nicht „zu empfindlich“, nicht „zu anders“. Du bewegst dich einfach in eine Richtung, für die andere vielleicht noch nicht bereit sind. Ihre Reaktionen entspringen oft ihrem eigenen Nervensystem, ihrem ungeheilten Schmerz, und ihren unerfüllten Bedürfnissen. Und ja, es ist in Ordnung, traurig zu sein, dass du vielleicht nicht die Unterstützung bekommst, die du dir wünschst. Aber es ist genauso in Ordnung, auf deine wachsenden, inneren Anteile aufzupassen und deine Grenzen zu setzen. Du darfst deinen Prozess in deinem Tempo würdigen, auch wenn dich andere (noch) nicht verstehen.
Mit dir ist nichts falsch, sondern du lernst, im Einklang mit deiner Wahrheit zu leben in einer Welt, die uns oft lehrt, uns im endlosen Konsum und Funktionieren zu verlieren. Präsenz, Ruhe und Authenzität in einem System zu wählen, das auf Leistung und Druck aufgebaut ist, ist ein radikal anderer Weg.
Mit dir ist nichts falsch, du bist im Übergang zu etwas Neuem
Manche von uns gehen durch diese Übergangszeit, ohne jemanden zum Reden zu haben oder sich wirklich verstanden zu fühlen. Ohne Kompass und ohne Anleitung, sondern nur mit der stillen Frage: „Bin ich die Einzige, der es so geht?“
Du bist es nicht. Auch wenn es so aussieht, als hätten andere alles im Griff. Auch wenn du vielleicht der Mensch bist, der weinend und erschöpft am Boden sitzt, und du nicht weißt, wie es weitergeht. Das bedeutet nicht, dass etwas falsch mit dir ist. Es bedeutet, dass du menschlich bist, und dass du dich in einem Prozess befindest, den die wenigsten von uns jemals gelernt haben zu navigieren. Wir leben mitten in einer globalen Übergangszeit, in einem Zerfall von gesellschaftlichen Rollen und Systemen, die nie für unser wahres Wesen gemacht waren. Und vielleicht spürst du es auch:
Eine Sehnsucht nach einem anderen Weg.
Eine Rückkehr zu Rhythmen, die menschlicher sind und im Einklang mit der Natur und deiner Energie. Mehr Ruhe. Mehr Achtsamkeit. Mehr echte Verbindung. Weniger Lärm. Weniger Druck. Weniger sich verstellen und anpassen.
Für diese Art von Heilung gibt es keinen vorgeschriebenen Zeitrahmen, keine Checkliste, und keine Ziellinie. Es gibt nur diesen Moment und die Entscheidung, bei uns selbst zu bleiben, auch wenn alles unsicher und chaotisch scheint.
Du bist nicht falsch, weil du bist, wo du bist. Unser Weg verläuft nicht gerade, er ändert sich, vertieft sich, hält inne und beginnt von Neuem. Dein Schmerz und deine Gefühle haben eine Grund. Dein Tempo ist absolut okay. Und selbst in den dunkelsten Momenten bist du nicht so allein, wie es sich vielleicht manchmal anfühlt.
Dem eigenen Weg vertrauen
Der Prozess des Erinnerns, wer du bist, jenseits von Rollen, Erwartungen, und deinen Überlebensstrategien, ist oft mühsam und gleichzeitig heilig. Es gibt keinen richtigen Weg, sondern nur die Einladung, immer wieder Inne zu halten, auf deine innere Stimme zu hören und das zu wählen, was sich für dich wahr und richtig anfühlt.
Und wenn du heute nichts anderes tust, als kurz innezuhalten, zu atmen und dich so anzunehmen, wie du gerade bist, dann ist das mehr als genug. 💗
Bist du selbst gerade in einer Übergangsphase, oder dabei einen neuen Weg zu gehen? Ich freue mich zu hören, wenn etwas aus diesem Artikel mit dir resoniert. Teile gern deine Fragen, Gefühle oder einfach deine Präsenz in den Kommentaren, deine Gedanken sind hier herzlich willkommen.
✍🏻 Fragen zur Selbstreflexion:
Welche Anteile in mir möchten gerade gesehen oder gefühlt werden?
Wo halte ich am „Funktionieren“ fest, anstatt mir zu erlauben, wirklich bei mir und meiner Gegenwart anzukommen?
Wie fühlt sich Sicherheit in meinem Körper an und was hilft mir, dorthin zurückzukehren?
Gibt es etwas, dass ich loslassen darf?
Was bedeutet es für mich, meinem Prozess in diesem Moment zu vertrauen?
Wenn du dir wünschst, in diesem Prozess ganzheitlich und traumasensibel unterstützt zu werden, bist du herzlich eingeladen, dich bei mir zu melden. Ich biete 1:1- und Gruppensitzungen an – online und persönlich in Oslo. 💛
Danke, dass du hier bist.
Julia